Beziehungen und Liebe in unserer heutigen Zeit

Ich date nun seit beinahe 2 Jahrzehnten – unfassbar – und in den letzten Jahren konnte ich eine gravierende Veränderung bemerken, die ich sehr bedauerlich empfinde. 

Wie das Dating sich verändert hat

Als ich damals mit dem Dating begann, war ich gerade einmal 13 Jahre alt – das liegt lange zurück, sehr lange sogar. Besonders in der Jugend sind die ersten Erfahrungen beim Dating von einer Menge Aufregung begleitet. Alles ist neu, man lernt das andere oder auch das gleiche Geschlecht auf eine „prickelende Art“ kennen und lieben. Man wächst heran und lässt sich auf die ersten außerfreundschaftlichen Situationen ein. Eine äußerst spannende Zeit, die ich manchmal vermisse – diese Zeit der Unwissenheit. Doch darüber hinaus sehne ich mich auch nach einer anderen Einstellung zum Dating, zum Kennenlernen neuer Menschen – wie es vor Tinder, Instagram und Co. zelebriert wurde. 

 

Früher entdeckte man die Traumfrau oder den Traummann und ließ sich aufeinander ein. Man traf sich erst, wenn das wirkliche Interesse füreinander vorhanden war, ohne gleichzeitig nach zwei oder drei weiteren Bekanntschaften zu suchen. Echte Dates standen im Mittelpunkt und im besten Fall entwickelte sich eine Beziehung – etwas, das damals häufiger geschah als heutzutage. Welche Erfahrungen hast du in dieser Hinsicht gemacht? Heute sieht das anders aus. Man trifft nicht nur eine Person, sondern grundsätzlich 2-3 gleichzeitig. Dann beginnt das erste Ausschlussverfahren. Oft wird man einfach ignoriert – geghostet – ob mit oder ohne Treffen. 

Next. Swipe. Next. Oh it’s a match. 
 

Im Idealfall findet man eine Person, die einen „besonders“ interessiert und man lässt sich vielleicht sogar auf weitere Dates ein. Doch ganz ohne Spielchen geht es nicht – du zeigst Interesse an mir, also zeige ich kein Interesse an dir. Aus dem anfänglichen „Ich würde dich gerne kennenlernen“ wird schnell ein „Eigentlich möchte ich keine Beziehung, nur Spaß oder Freundschaft+“.

Den Fomo-Durst stillen ohne Rücksicht auf Verluste

 

Sobald der geringste Widerstand aufkommt, wird alles abgebrochen – warum sollte man sich auf etwas einlassen, wenn ein paar Klicks weiter bereits der nächste potenzielle Partner oder Partnerin wartet? Next. 

Manche machen kein Geheimnis daraus und sagen von Anfang an: „Ich will nur Spaß und sonst nichts.“ Persönlich bevorzuge ich das sogar, denn so habe ich die Möglichkeit, mich auf dieses Abenteuer einzulassen oder eben nicht. In diesem Fall habe ich die Wahl, ob ich mir das Herz brechen lassen möchte.. 

Natürlich sind nicht alle so ehrlich. Viele Frauen und Männer interessieren sich nicht nur für rein körperliche Treffen. Dann wird die „Kennenlern-Karte“ gezogen, die sich rasch in ein „Ach, eigentlich bin ich nicht bereit für eine feste Beziehung“ verwandelt. Next. Auf diesem Ego-Trip werden zahlreiche Herzen gebrochen, nur um den FOMO-Durst zu stillen.

Ich persönlich habe nichts gegen Menschen, die sich auf lockere Geschichten einlassen wollen. Aber ich habe durchaus etwas gegen diejenigen, die vorgeben, jemanden kennenlernen zu wollen, obwohl sie im Grunde genommen kein Interesse haben und nur auf DAS abzielen, aber es eben unter „Kennenlernen“ tarnen.  

 

Schließlich habe ich so die Möglichkeit, mich elegant aus der Situation zurückzuziehen, wenn ich „ganz plötzlich“ nicht mehr für die Herzensdame oder den Herzbuben brenne. Was mich hier besonders triggert, sind nicht nur die fehlenden Emotionen, sondern das Grundproblem hinter diesen ganzen Handlungen. Niemand ist mehr bereit Bindungen einzugehen. 

Wir haben Angst uns auf jemanden einzulassen.

In den letzten Jahren habe ich den Eindruck, dass die Angst und der Wille, sich auf andere Menschen einzulassen, besonders auf einen einzigen, immer größer geworden ist. Ständig sind wir auf der Jagd nach neuen Gesichtern und Reizen. Die Bereitschaft, sich auf eine tiefere Bindung einzulassen, scheint immer mehr abzunehmen. Alles soll locker, leicht und ohne Verpflichtungen sein. Es scheint, als hätten wir vergessen, wie es ist, richtig zu empfinden, uns fallen zu lassen und vor allem im Moment zu leben. Würden wir uns mehr auf den Augenblick konzentrieren, müssten wir nicht ständig nach mehr und neuen Kontakten suchen. 

Was könnte der Grund für diese Entwicklung sein? Liegt es an Social Media? Den unbegrenzten Möglichkeiten, alles haben zu können? Der ständigen Verfügbarkeit? Bindungsängste und Prägungen aus der Kindheit? Plattformen wie Tinder, Bumble und Co.?

Woher kommt diese neue Herangehensweise an Dates und das Treffen von Menschen? Ich empfinde diese Entwicklung als ausgesprochen beängstigend.

Es scheint, als ob heutzutage niemand mehr bereit ist, das eigene Ego zurückzustellen. Es dreht sich immer nur um „ich, ich, ich“. Viele Menschen möchten sich nicht um andere kümmern müssen und schon gar nichts für den anderen aufgeben.

Aber wie soll das funktionieren? Wie kann unsere Gesellschaft überleben, wenn die Liebe und der Wunsch nach Bindung verloren geht? Ich fürchte, wir begeben uns auf einen bedenklichen Weg.

Für alles, was in unserem Leben von Bedeutung ist, setzen wir uns intensiv ein – sei es unsere Ausbildung, der Beruf, unser Äußeres oder der Traum vom Eigenheim. Doch wenn es um Beziehungen geht, neigen wir oft dazu zu glauben, dass sie von selbst laufen und funktionieren. Wir tun wenig, erwarten jedoch viel. 

Das beginnt bereits in der Kennenlernphase. 

 

Ich glaube..

..unsere Herausforderungen liegen in:

– der Angst vor Verletzungen,
– der Furcht vor dem Verlust der Freiheit,
– dem Drang nach mehr und möglicherweise besseren Möglichkeiten,
– der Scheu, sich Herausforderungen zu stellen,
– Unsicherheiten bezüglich sozialer Kontakte,

dazu kommen:

– die Reizüberflutung durch Social Media,
– die Bereitschaft und der Wille, in eine Beziehung zu investieren,
– die Angst, etwas oder jemanden zu verpassen,
– das Fehlen des Langeweile-Gefühls, alles muss immer aufregend sein,
– Unzufriedenheit,
– zu hohe Erwartungshaltungen hinsichtlich Optik und Charakter.

Diese Punkte sind entscheidend, wenn es darum geht, Beziehungen und Liebe in unserer heutigen Zeit zu gestalten – so zumindest meine Denkweise darüber. 

Die ewige Liebe heute noch möglich?

Ich behaupte, dass die ewige Liebe heutzutage sogar einfacher zu erreichen ist als noch vor 50 oder 100 Jahren.

In der heutigen Zeit haben wir endlich die Möglichkeit, eine lebenslange Liebe zu leben, wenn wir uns dafür entscheiden. Denn wir kommen aus Liebe zusammen und dürfen aus Liebe zusammenbleiben.

Früher hatten wir oft keine Wahl; viele konnten sich den Partner oder die Partnerin nicht einfach aussuchen, oft wurde das von anderen übernommen. Auch finanzielle Aspekte und die mangelnde Unabhängigkeit der Frau waren Gründe, warum Bindungen zustande kamen und man blieb in diesen Beziehungen oder Ehen – einfach, weil man schlichtweg nicht die Wahl hatte zu gehen. Heute wäre dies möglich. Doch heute stehen wir vor einem anderen Problem: die grundsätzliche Bereitschaft, sich nicht einzulassen. Es besteht ein zunehmender Anspruch, auf Besseres zu hoffen, und oft fehlt der Wille, einen Funken Ausdauer in die Liebe zu investieren.

Es würde mich sehr interessieren, von deinen Erfahrungen zu diesem Thema zu hören: Hast du Ähnliches erlebt oder warst bereits in solchen Situationen? Wie siehst du das und welche Lösungen könntest du für unsere Gesellschaft vorschlagen?

Ist es deiner Meinung nach heute noch möglich, Beziehungen und Liebe auf eine gefühlvolle Weise zu gestalten?

Liebe Grüße Nina 

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Lass ein bisschen Liebe da

2 Comments:
1. Februar 2024

Hi, wiedermal ein toller Beitrag! 🙂

Zu diesem Thema kann ich dir ein Lied singen… das Daten ist einfach katastrophal geworden. Wie du richtig sagst, keiner lässt sich richtig auf sein Gegenüber ein, da die Möglichkeiten so groß sind. Die Hoffnung oder eilt. die Erwartung danach „noch jemand besseren zu finden“ ist immer da. Keiner befindet sich im Jetzt und im Moment, sie sind mit den Gedanken schon weiter.

Auch die ehrliche Kommunikation fehlt teilweise. Zu sagen was man sich denkt, was man fühlt oder wovor man vielleicht Angst hat. Angst davor, doch Teil einer anderen Person zu sein oder zu werden. Ich kenne das ja selbst, diese Bindungsangst, Angst vor einer weiteren Enttäuschung, vor einer weiteren Verletzung, vor diesem Gefühl, mit dem ich mich nicht auseinander setzen will, ganz klar.

Es fällt mir sehr schwer offen dafür zu bleiben, offen für neue Bekanntschaften, tiefere Bekanntschaften, egal ob es sich in die Richtung Freundschaft oder Liebe entwickelt. Einen anderen Menschen an mich ran zu lassen, verwundbar zu sein. Liebe zu meinen Mitmenschen zuzulassen ist nicht leicht, mein Vertrauen zu schenken. Es fällt mir sehr schwer nicht kalt und verschlossen zu werden. Das wäre tatsächlich der leichtere Weg. Auf lange Sicht auch sicher der einsamere.

Lösung? Hm… vielleicht, wenn sich jeder Mal wirklich an der Nase packt und sich wieder auf das Hier und Jetzt konzentriert, sich nicht in die digitale Welt flüchtet und sich mit seinem Sein auseinander setzt, wäre vielleicht ein guter Anfang.. Sich auf sein Umfeld konzentrieren, nicht die „Liebe des Lebens“ am anderen Ende der Welt suchen, denn was hätte das für einen Sinn, hier geboren zu sein, wenn „der/die Richtige“ ganz woanders sitzt? Man muss sich doch auch so über den Weg laufen können, durch „Zufall“.

Vielleicht bin ich zu romantisch, zu old-school. Wer weiß.

6. Februar 2024

Hallo Michaela!
Herzlichen Dank für deinen Kommentar und das positive Feedback :).
Ich kann voll und ganz nachempfinden, wie herausfordernd es ist, in der heutigen Zeit offen zu bleiben.

Deiner Ansicht stimme ich zu, und es ist bedauerlich, dass nur sehr wenige Menschen wirklich bereit oder in der Lage sind, sich mit solchen Themen auseinanderzusetzen. Ich bin der Überzeugung, dass wir alle individuell als vorbildliche Persönlichkeiten agieren können und gleichzeitig „hoffen“ können, auf eine schönere Gegenwart und Zukunft.

Meiner Meinung nach wiederholen sich Situationen und Begegnungen so lange, bis wir persönliche Themen oder Muster durchbrochen haben. Das kann durchaus als positiver Prozess betrachtet werden..

Es ist keineswegs verkehrt, romantisch oder old-school zu sein 🙂
Liebe Grüße Nina

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